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DGfZ-Jahrestagung in Göttingen: Ein voller Erfolg mit dem Thema Klimaresilienz und Nutztiere

Die diesjährige Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde (DGfZ), die am 18. und 19. September in Göttingen stattfand, war ein voller Erfolg. Unter dem zentralen Thema Klimaresilienz und Nutztiere versammelten sich über 250 führende Expertinnen und Experten, um die drängenden Herausforderungen des Klimawandels für die Landwirtschaft und Tierhaltung zu diskutieren. Nach der Plenartagung konnten sich die Teilnehmer aus vier parallelen Sessions mit insgesamt 80 Vorträgen einen individuellen Tagungsplan erstellen und sich umfangreich informieren.

 


In der Plenarsitzung präsentierten renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neueste Forschungsergebnisse und gaben einen sehr guten Überblick zu dem aktuellen Generalthema. Zu den Hauptrednern zählten Prof. Dr. Christine Große-Brinkhaus von der Georg-August-Universität Göttingen, Prof. Dr. Sven König von der Justus-Liebig-Universität Gießen und Dr. Monika Zehetmeier von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Sie beleuchteten die Auswirkungen der Klimaveränderungen auf die Milchviehhaltung und Schweinezucht und stellten innovative Lösungsansätze für die Tierzucht und ganze Betriebssysteme vor.


Prof. Dr. Christine Große-Brinkhaus hielt einen aufschlussreichen Vortrag zum Thema Nahrungsmittelkonkurrenz vermeiden: Welchen Beitrag kann die Schweinezucht leisten?.

Sie betonte die Bedeutung der Futtereffizienz in der Schweinezucht, die bereits fest etabliert ist und hob hervor, dass es vielversprechende Merkmale der Nährstoffnutzungseffizienz gibt, die weiter erforscht und genutzt werden sollten. Ein zentrales Anliegen ihres Vortrags war die Forderung nach einer Ausweitung der tierindividuellen Datenerfassung, um die Effizienz und Nachhaltigkeit in der Schweinezucht weiter zu verbessern.

 

Prof. Christine Große-Brinkhaus

Prof. Christine Große-Brinkhaus


Abschließend unterstrich Prof. Dr. Große-Brinkhaus, dass ausbalancierte Zuchtziele der Schlüssel zum Erfolg sind. Hierbei sollte die Nahrungskonkurrenz, der Umwelt- und Ressourcenschutz sowie die Tiergesundheit und der Tierschutz in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.

Ihr Vortrag bot wertvolle Einblicke und Anregungen für zukünftige Forschungs- und Praxisansätze in der Schweinezucht.


Züchtungskonzepte gegen Hitzestress beim Milchrind, so der Titel von Prof. Dr. Sven Königs spannenden Vortrag.

Hohe Lufttemperaturen bei gleichzeitig hoher Luftfeuchte können negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit von Nutztieren haben und in Extremfällen zu erhöhten Tierverlusten führen. Der Referent zeigte zu Beginn seiner Präsentation die gravierenden Auswirkungen von Hitzestress über Spezies hinweg auf. Vor allem Milchkühe reagieren sehr sensibel auf Hitzestress mit Rückgang der Futteraufnahme, der Milchproduktion und Fruchtbarkeit, weshalb alles unternommen werden sollte, um die Hitzebelastung möglichst gering zu halten. Die Komforttemperatur liegt bei Milchkühlen in einem Bereich von ca. 0 bis 17 °C.

Prof. Sven König

Prof. Sven König


Neben dem bekannten Leistungsabfall haben Studien bei Milchrinder aber auch ergeben, dass Hitzestress - besonders einige Wochen vor der Geburt - zu unerwünschten Auswirkungen über Generationen hinweg führt. Daher ist ein Trockenstehermanagement enorm wichtig, so König. Allerdings sind die ursächlichen genetischen Zusammenhänge diesbezüglich noch nicht geklärt.

Mit Blick auf die Milchrinder ist die Zucht auf hitzetolerante Tiere durchaus umsetzbar, und zwar auf Basis der engmaschigen Merkmale, die ohnehin schon teilweise über die Milchleistungsprüfung (MLP) erfaßt werden. Zusätzlich müssen Klimadaten im Stall gemessen sowie die genetisch-statistische Modellierung erarbeitet werden. Im Vergleich zu anderen Merkmalen basieren die Merkmale für die Zuchtwertschätzung 'Hitzetoleranz' auf einer hohen Datenquantität und -qualität, was natürlich sehr vorteilhaft ist. Noch offene Fragen formulierte König so: wie kombiniert man welche Merkmale (Merkmalsreaktionen) in einem Index? Und welche THI (Temperature – Humidity – Index) Zeitspanne ist entscheidend für das jeweilige Merkmal?

König brachte im Verlauf des Vortrags verschiedene Beispiele bisheriger Forschungsaktivitäten. So hatte Deutschland schon 2007 als eines der ersten Länder die Bedeutung des Themas Klima erkannt und im niedersächsischen Pojekt KLIFF den Einfluss von Klima auf die Leistungseigenschaften der Milchkuh bei Produktions- und Sekundärmerkmalen untersucht. Neuere Forschungen (2020) beschäftigten sich mit der Berechnung und Evaluierung von Klimaresilienzmerkmalen sowie mit den pysiologischen und molekulargenetischen Zusammenhängen bei Hitzestress.

Eine andere Option, die Zucht hitzetoleranter Milchrinder voranzutreiben, könnte die Einkreuzung des sogenannten SLICK-Phänotyps der Rasse Senepol sein. Es handelt sich hierbei um eine synthetische Rasse aus afrikanischen N‘dama, Red Poll und Zebu. Sie besitzt kurze, glatte Haare und größere Schweißdrüsen, was ihr eine bessere Regulation der Körpertemperatur ermöglicht. Die Bullen, die bereits angeboten werden, sind heterozygot. Nachteil: es gibt doch deutliche ZW-Unterschiede zu den Top HF-Bullen. Die Entwicklung von Zuchtprogrammen auf Basis von Slick-Anlageträgern könnte nach Königs Einschätzung nur gelingen, wenn Top-Züchter ihre Top-Jungrinder mit SLICK- Bullen besamen unter intensiver Nutzung von Biotechnologien (ET). Hier äußert König jedoch Zweifel, ob die Rinderzüchter diesen Weg einschlagen möchten.


Dr.  Monika Zehetmeier

Dr. Monika Zehetmeier

Dr. Monika Zehetmeier referierte zum Thema Klimawirkung tierhaltender Betriebssysteme: Bewertung und Minderungsstrategien.


Die Referentin führte zu Beginn ihres Vortrags aus, dass die konkreten Auswirkungen landwirtschaftlicher Maßnahmen auf Menschen, Tier und Umwelt komplex und schwer zu bestimmen sind. Es sei daher eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit mit allen Fachbereichen wie Tierzucht und -ernährung sowie der Tierhaltung und Ökonomie erforderlich, um alle Aspekte eines Betriebssystems umfassend bewerten zu können. Aufgrund der unterschiedlichen Herangehensweise stehe der Systembewerter jedoch oft mit den Spezialdisziplinen vor der ein oder anderen Herausforderung und warb um Unterstützung. Um die Nachhaltigkeit einzelner Produktionsformen der Landwirtschaft bewerten zu können, findet das eigens dafür entwickelte LfL-Online-Tool zum Klimacheck Anwendung. Dieses Tool ermöglicht die Berechnung der Treibhausgasemissionen sowohl auf Ebene einzelner Produktionsverfahren, als auch für den gesamten Betrieb. Den Machern des Klima-Check Landwirtschaft war es sehr wichtig, die Berechnungen zur Ökonomie und den Treibhausgasemissionen möglichst anwenderfreundlich zu gestalten.

Die Anwendung des Tools sei derzeit sehr gefragt, insbesondere seitens der Molkereiunternehmen. Diese sehen im CO₂-Footprint die Möglichkeit, sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Die Referentin appellierte allerdings, bei den hohen Auflagen zur Reduzierung des CO₂ den Landwirt und seine Betriebsstruktur nicht außer Acht zu lassen, der nur mit extremem Aufwand die geforderten CO₂-Einsparungen leisten könnte. Aus ihrer Sicht werde der alleinige Fokus auf den Carbon Footprint von Lebensmitteln den zukünftigen Anforderungen an die Landwirtschaft nicht gerecht. Es muss eine Balance zu anderen Indikatoren wie Tierwohl, Flächennutzung und sozialen Aspekten geben, auch wenn diese manchmal einer besseren CO₂-Bilanz widersprechen. Die Referentin unterstrich die enorme Komplexität einer umfassenden Klimabewertung und wies darauf hin, dass eine echte Klimabilanz für landwirtschaftliche Betriebe noch einige Zeit benötige.

Frau Dr. Zehetmeier resümierte, dass die umfangreichen Berechnungen ihrer Arbeitsgruppe zu dem Ergebnis geführt haben, dass es per se kein überlegenes Betriebssystem gibt. Möglichkeiten zur Einsparung von klimaschädlichen Gasen kann die Integration von Methan-Emissionen in die Zuchtwerte und diese in Betriebsmodelle sein. Zudem sollten regelmäßig die Produktionsbedingungen auf den Betrieben überprüft werden, da hier ein großes Potenzial vorliegt. THG-Emissionen pro kg Milch seien zum Vergleich von Produktionssystemen hingegen nur bedingt geeignet. Ein sinnvoller Einsatz von Zweinutzung sowie die Anwendung von BeefOnDairy kann ebenfalls zur Minderung der THG beitragen. Bei allen Überlegungen müssen aber die Zielkonflikte im Blick behalten werden, so die Referentin. Sie wies abschließend darauf hin, dass das Senken von Emissionen überraschenderweise manchmal auch Kosten reduzieren kann – ein Aspekt, der vielen noch nicht bewusst ist. Der Klimacheck kann in diesem Sinne einen wichtigen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft leisten.


Diskussionsrunde

Diskussionsrunde

Spannende Fragen und Diskussionsbeiträge aus dem Auditorium sorgten für eine lebhafte und inspirierende Diskussionsrunde. Ein weiterer Höhepunkt der Veranstaltung war die Verleihung des DGfZ-Preises an herausragende Nachwuchswissenschaftler, die ihre Arbeiten vor einem exzellenten Publikum präsentieren konnten. Zudem wurde Prof. Dr. Kay-Uwe Götz mit der Hermann-von-Nathusius-Medaille geehrt, und Dr. Johanne Waßmuth sowie Dr. Hans Ableiter erhielten die Adolf-Köppe-Nadel.

An zwei Tagen präsentierten junge Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse aus den Bereichen Tierzucht und Tierhaltung. Diese Fachforen waren eine hervorragende Gelegenheit zum Austausch über aktuelle Entwicklungen und zur Vernetzung.

Die Abendveranstaltung im gemütlichen Ambiente des Strandhaus37 in Göttingen bot den Teilnehmern die Möglichkeit, in entspannter Atmosphäre Kontakte zu knüpfen. Fachleute aus Forschung, Praxis und Industrie waren eingeladen, ihre Perspektiven zu teilen und die Entwicklung einer nachhaltigen, klimaresilienten Nutztierhaltung zu fördern.

Wir sind überzeugt, dass der Austausch von Wissen und Erfahrungen in der Gemeinschaft der Tierwissenschaften entscheidend ist, um die Herausforderungen der heutigen Zeit zu bewältigen, sagte Dr. Bettina Bongartz, Geschäftsführerin der DGfZ. Die Teilnahme an dieser Tagung bietet besonders Wissenschaftlern, Zuchtunternehmen und Personen im Agrarbereich eine hervorragende Gelegenheit, wertvolle Kontakte zu knüpfen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.

Die DGfZ organisierte die Jahrestagung 2024 in Kooperation mit dem Department für Nutztierwissenschaften der Georg-August-Universität Göttingen.


Impressionen

v.l.n.r. Prof. Dr. Ralf Waßmuth, Dr. Johanne Waßmuth (geehrt mit der Adolf-Köppe-Nadel), Prof. Dr. Kay-Uwe Götz (geehrt mit der Hermann-von-Nathusius-Medaille), Petra Götz,  Dr. Hans Ableiter (geehrt mit der Adolf-Köppe-Nadel)

v.l.n.r. Prof. Dr. Ralf Waßmuth, Dr. Johanne Waßmuth (geehrt mit der Adolf-Köppe-Nadel), Prof. Dr. Kay-Uwe Götz (geehrt mit der Hermann-von-Nathusius-Medaille), Petra Götz, Dr. Hans Ableiter (geehrt mit der Adolf-Köppe-Nadel)

Unsere Geehrten 2024

li. Maximilian Zölch; re. Dr. Valentin Haas

li. Maximilian Zölch; re. Dr. Valentin Haas

Unsere DGfZ-Preisträger 2024

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