02.08.2012rss_feed

24. Hülsenberger Gespräche - Zusatzstoffe in der Tierernährung

Über den Nutzen und den aktuellen wissenschaftlichen Stand bei Zusatzstoffen in der menschlichen und tierischen Ernährung diskutierten kürzlich Experten der unterschiedlichsten wissenschaftlichen Fachrichtungen bei den diesjährigen Hülsenberger Gesprächen, zu denen die H. Wilhelm Schaumann Stiftung traditionell nach Lübeck eingeladen hatte.
Zu den Zusatzstoffen in der Tierernährung zählen Mineralstoffe, Aminosäuren, Vitamine, Enzyme, Eubiotika (Prä- und Probiotika) sowie Kokzidiostatika. Sie erfüllen unterschiedlichste Aufgaben und sorgen für den optimalen Ablauf der Lebensvorgänge.

Fehlen beispielsweise Vitamine, entwickeln sich Mangelsysteme oder spezifische Krankheiten. So modulieren die Vitamine A, C und E das Immunsystem und stärken die Resistenz gegen Infektionskrankheiten, Biotin reduziert die Fussballen-Dermatitis beim Geflügel und verbessert die Klauengesundheit beim Mastschwein. Vitamin D3 vermindert die Tibiodyschondroplasie bei Mastküken und Puten, Vitamin E verbessert die Fleischqualität. Futtermittelenzyme unterstützen die Verdauungsvorgänge, indem sie die Stärkefraktion im Getreide effizienter aufschließen und die Phosphorausscheidung bei Monogastrier reduzieren. Last not least hat das Verbot von antibiotischen Wachstumsförderern die Gefahr infektiöser Störungen der Mikroflora im Verdauungstrakt erhöht. Beispiele sind die nekrotische Enteritis beim Mastküken sowie der Ferkeldurchfall kurz nach dem Absetzen. Hier können Eubiotika zur Etablierung einer gesunden Darmflora beitragen. Auch organische Säuren besitzen ausgeprägte antimikrobielle Eigenschaften und verbessern damit die Darmgesundheit. Für die erwartete Leistung von Nutztieren reicht der natürliche Gehalt der genannten Stoffe in den Futterrohstoffen nicht aus, sie müssen deshalb zugesetzt werden. Ein umfangreiches europäisches Regelwerk gewährleistet dabei die Sicherheit von Lebensmitteln und Futtermitteln. Bedeutend für die Agrarwirtschaft ist die Verordnung (EG) Nr. 1831/2003.

Was können Probiotika wirklich leisten?
Aus umfangreichen Versuchen, die während des Symposiums vorgestellt wurden, konnte geschlussfolgert werden, dass Probiotika unter Infektionsbedingungen protektive Mechanismen auslösen können, die die Entwicklung von Darmerkrankungen, etwa die Ferkel-Diarrhoe, verhindern. Probiotika sind lebende Organismen, die zu einer zeitweisen Besiedlung des Verdauungstraktes führen. Eine wichtige Rolle scheinen die von den probiotischen Bakterien gebildeten organischen Säuren zu spielen. Sie können das Wachstum pathogener Bakterien hemmen und nehmen Einfluss auf die Enzymbildung. Die Wissenschaftler sehen neben den gesundheitsstabilisierenden Effekten auch leistungsverbessernde Wirkungen. Therapeutische Effekte wurden dagegen kritisch beurteilt. Eubiotika spielen ihre wahren Vorzüge in der Prophylaxe und hier vor allem bei Jungtieren aus. Damit nehmen sie als Sicherheitsfaktor in der Tierernährung eine wichtige Rolle ein, Leistungspusher sind sie nicht. Um die Wirkungsmechanismen der Eubiotika noch genauer beschreiben zu können, bedarf es jedoch weiterer Forschungsarbeit.

Enzyme wirken positiv auf die Nährstoffverdaulichkeit
Die meisten Alleinfuttermittel, die in der konventionellen Landwirtschaft bei Geflügel und Schweinen eingesetzt werden, enthalten als Futterzusatzstoff mikrobielle Enzyme. Ihre Aufgabe besteht darin, die Verwertung von Futterinhaltsstoffen zu verbessern. Die wichtigsten Enzyme dieser Art sind Nicht-Stärke-Polysaccharide, spaltende Enzyme (NSP-Enzyme) und Phytasen. Durch den Einsatz von Enzymen wird Getreide besser verdaulich, am meisten profitieren Tierarten, bei denen die mikrobielle Aktivität im Verdauungstrakt gering ist. Dies kann zu einer schlechteren Nährstoffverdaulichkeit und in Folge zu Durchfällen und hygienischen Problemen führen, vor allem bei Junggeflügel und Ferkeln. Phytasen sind Enzyme, die die Phytaseaktivität im Verdauungstrakt, vor allem beim Schwein und Geflügel, anregen. Mit Hilfe der Phytasen steigt die Phosphorverwertung und es lassen sich P-Emissionen bis zu 30 Prozent reduzieren. Mykotoxininaktivierende Enzyme, die im Verdauungstrakt wirken, sind wünschenswert, aber noch nicht praxisreif.

Aminosäuren steigern die Effizienz in der Nutztierhaltung
Aminosäuren sind Grundbausteine des Lebens mit spezifischen physiologischen Funktionen. Sie erhöhen die Effizienz der Proteinverwertung und vermindern die Emission Stickstoff-haltiger Gase. Je nach Tierart, Alter und Leistungsvermögen ist der Bedarf an einzelnen Aminosäuren unterschiedlich hoch. In der Rations- und Mischfutteroptimierung werden Protein-liefernde Futtermittel so miteinander kombiniert, dass die Versorgung mit einzelnen Aminosäuren dem Bedarf der Tiere möglichst nahe kommt. Die Besonderheit des Aminosäurenmusters einzelner Futterproteine setzt dabei allerdings Grenzen.

Mit dem Einsatz freier Aminosäuren bestehen weitere Optimierungsmöglichkeiten. Die Prognosen zur Entwicklung der Weltbevölkerung und der steigenden Nachfrage nach Lebensmitteln lässt den Schluss zu, dass die Bedeutung freier Aminosäuren wachsen wird. Dementsprechend hoch wird der Forschungsbedarf in diesem Bereich angesetzt, damit futterrechtliche Zulassungen weiterer Aminosäuren erwirkt werden können.

Der Einsatz von Aminosäuren in der Fütterung von Milchkühen setzt eine besondere Behandlung der Produkte voraus, die den mikrobiellen Abbau der Aminosäuren im Pansen reduziert. Die Leistungsentwicklung erfordert eine zunehmende Versorgung mit im Pansen nicht abbaubarem Futterprotein. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, dem Aminosäurenmuster des Futterproteins und dem Abbau einzelner Aminosäuren im Pansen größere Beachtung zu schenken. Zudem besteht auch hier die Vermutung, dass das Angebot an pansengeschützten Aminosäuren in Zukunft erweitert wird. Als Problem wird die noch große Variation einzelner Partien des gleichen Futtermittels angesehen, dies betrifft z.B. auch die Verdaulichkeit von Lysin bei Geflügel. Entsprechende Schnellmessverfahren könnten hilfreich sein, müssen aber noch entwickelt werden.

Spurenelemente - geringe Dosis mit großer Wirkung
Essentielle Spurenelemente sind ein integraler Bestandteil in der Nutztierfütterung. So werden Zink, Kupfer, Eisen, Selen und Jod regelmäßig ergänzt, um Mangelerscheinungen auszuschließen. Gleichzeitig verfügen diese Stoffe über ein toxisches Potenzial. Überschüsse können nicht nur die Tiergesundheit beeinträchtigen, sondern über die Lebensmittel an die Konsumenten weitergereicht werden. Vor der Gabe von Spurenelementen empfiehlt es sich deshalb, regelmäßig die Gehalte im Grundfutter zu messen, und dann erst die Bedarfsdeckung zu optimieren.

Im Einzelnen wurden die Wirkungsweisen der Spurenelemente vorgestellt. Zink wird grundsätzlich bei allen Tierarten ergänzt. In besonderen Fällen kann bei Wiederkäuern die Gabe erhöht werden, um beispielsweise die Klauenstabilität und Eutergesundheit zu verbessern. Sehr hohe Dosierungen sind dagegen bei Ferkeln und Mastschweinen problematisch. Sie wirken zwar positiv bei bakteriellen Darmerkrankungen, stören aber den Kupfer- und Eisenstoffwechsel und führen auch zu erhöhten Gehalten in Wirtschaftsdüngern schweinehaltender Betriebe. Aus der Sicht des Bodenschutzes wird damit ein toxisches Schwermetall in die Umwelt ausgetragen. Ähnliches gilt für Kupfer, dass zudem in der Leber behandelter Tiere angereichert werden und somit bis zum Verbraucher gelangen kann. Aus diesem Grund gilt es auch, eine Überdosierung von Jod und Selen zu vermeiden.

Phytogene Stoffe aus dem Chemiekasten der Natur
Phytogene Futterzusatzstoffe sind Stoffgemische pflanzlichen Ursprungs. Mit ihnen soll die Produktivität der Nutztierhaltung über den Futtertrog verbessert werden. Sie gelten als Alternative zu den verbotenen antibiotischen Leistungsförderern. Es sind die sekundären Pflanzenstoffe, die entsprechende Wirkungen entfalten können. Sie erfüllen auch in der Pflanze selber vielfältige Aufgaben. So locken beispielsweise Aromastoffe Nützlinge an, andere wehren Schädlinge ab. Unter dem Begriff sekundäre Pflanzenstoffe sind bis zu 100.000 verschiedene Substanzen, die die Natur bereit hält, zusammengefasst, mehrere 1.000 davon sind auch für die Fütterung relevant. Man schreibt ihnen antioxidative und antimikrobielle Wirkungen zu, die günstig auf die Abläufe im Verdauungstrakt wirken. Keiner der Wissenschaftler sprach den phytogenen Stoffen ihr positives Potenzial ab. Ihre Vielschichtigkeit macht es jedoch schwierig, systematische Studien zu erstellen, um daraus einen gezielten Einsatz ableiten zu können. Zudem besteht Forschungsbedarf, einen Mix von phytogenen Stoffen zu ermitteln, der positive Wirkung erzielt.

Lebensmittel sind eine gefährliche Angelegenheit
Kritisch wurde der Einsatz von Zusatzstoffen für die menschliche Ernährung diskutiert. Weltweit beobachtet man in den letzten Jahren zwei gegenläufige Trends bei der Verwendung von Zusatzstoffen in Lebensmitteln. Einerseits werden immer mehr Stoffe auf weltweit gültigen Standards zugelassen. Andererseits geraten Zusatzstoffe in die öffentliche Kritik. Lebensmittelproduzenten reagieren darauf und versuchen, möglichst ohne deklarationspflichtige Zusatzstoffe auszukommen. Sie haben den Trend in ihre Marketingstrategien aufgenommen und werben mit dem Verzicht auf Farbstoffe, Aromen, Geschmacksverstärker & Co. Man hofft, mit dem clean labelling beim verunsicherten Verbraucher zu punkten. In einer Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) hat man sich dem Risikoempfinden der Verbraucher angenähert mit einem erstaunlichen Ergebnis. Das Gesundheitsrisiko, das von Lebensmitteln ausgeht, wird als weitaus höher eingestuft als beispielsweise das Risiko des Rauchens. Sollte dies zu einer weiterführenden Abkehr von den Zusatzstoffen führen, könnte dies auch negative Folgen für die Fütterung von Nutztieren haben. Die Forschung müsste mangels Interesse und finanzieller Mittel in diesem Bereich zurückgefahren werden, neue Erkenntnisse stünden für die Tierernährung nicht mehr zur Verfügung stehen.

Quelle: ZDS