12.10.2010rss_feed

DGfZ-Jahrestagung und DGfZ-/GfT-Gemeinschaftstagung 2010 in Kiel

In diesem Jahr haben die Gesellschaft für Tierzuchtwissenschaften (GfT) und die Deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde (DGfZ) zur vierten Parallelveranstaltung nach Kiel eingeladen. An der Pädagogischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel fanden am 15. und 16. September 2010 die DGfZ-/GfT-Gemeinschaftstagung und die Jahrestagung sowie die Mitgliederversammlung der DGfZ statt.

Die Tagung wurde am Mittwochmorgen durch den Präsidenten der DGfZ Herrn Dr. Ernst-Jürgen Lode sowie durch den Vorsitzenden der GfT Herrn Prof. Dr. Georg Erhardt eröffnet. Ebenso hieß Herr Prof. Dr. Georg Thaller als lokaler Veranstalter die rund 300 Zuhörer in Kiel willkommen. Nach den anschließenden Grußworten von Herrn Ernst-Wilhelm Rabius,  Staatssekretär im Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein und Frau Prof. Dr. Karin Schwarz, Dekanin der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät in Kiel, wurden zum Abschluss die diesjährigen DGfZ-Preise für hervorragende Abschlussarbeiten verliehen. Der DGfZ-Preis für Dissertationen in Höhe von 1.500,00 € wurde an Frau Dr. vet. med. Wiebke Garrels vom FLI Mariensee für ihre Arbeit zum Thema Transgene Expression durch zytoplasmatische Injektion von Plasmiden und Transposon basierten Konstrukten in Säugerembryonen verliehen. Im Bereich Diplom-/Masterarbeiten wurde Frau M. Sc. Christine Friedrich von der Georg-August-Universität Göttingen für ihre Masterarbeit Examination of Longevity in Dressage Horses - A Comparison between Sport Horses in New Zealand and Hanoverians in Germany mit dem DGfZ-Preis in Höhe von 500,00 € ausgezeichnet. Die Vorstellung der beiden ausgezeichneten Arbeiten erfolgte in dem sich anschließenden ersten Vortragsblock der Gemeinschaftstagung.

In der sich anschließenden Jahrestagung der DGfZ wurden aktuelle Themen wie die Nutzungsdauer bei Milchkühen und die internationale Rinderzucht bestimmende Genomische Selektion präsentiert. Den Einstieg machte Frau Dr. Anke Römer von der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern mit ihrem Beitrag Untersuchungen zur Nutzungsdauer bei Deutschen Holstein Kühen. Anhand eigener Untersuchungsergebnisse machte Frau Dr. Römer deutlich, dass die Problematik Nutzungsdauer auf Milchviehbetrieben ökonomisch nicht zu unterschätzen sei und vorrangige Faktoren wie das Merzungsmanagement und das Gesundheitsmonitoring auf den Betrieben verantwortlich und somit zu verbessern seien. Mit Hilfe dieser Maßnahmen sei anzustreben, die Nutzungsdauer um mindestens eine Laktation von derzeit 2,5 auf 3,5 Laktationen zu erhöhen, bei einer Milchleistung von mindestens 15 kg/Lebenstag. 

Anschließend referierte Prof. Dr. Hans-Rudolf Fries von der Technischen Universität München zum Thema Individuelle Genomsequenzierung – auf dem Weg zur genomischen Selektion 2.0. Mit dem Zitat von Van Tassell (2009) The best bulls become elite breeders – The others become hamburger, deutete Herr Prof. Fries auf die durch die Genomische Selektion ermöglichte frühe Vorhersage des genetischen Wertes eines Tieres hin, ohne die Nachkommen untersuchen bzw. prüfen zu müssen. Die aktuelle Implementierung der Genomischen Selektion, im August 2010 wurden die ersten genomischen Zuchtwerte Deutschland veröffentlicht, wird laut Herrn Prof. Fries als Versionnummer 1.0 beschrieben. Seit Kurzem können nun über 777.000 SNPs gleichzeitig typisiert werden (777K-Chip). Die Anwendung des 777K-Chips bei einigen Tieren und die Extrapolation (Imputation) auf alle mit dem 54K-Chip typisierten Tiere dürfte zu höheren Sicherheiten führen und generell die Anwendung der genomischen Selektion auch bei Tieren ermöglichen, die mit der jeweiligen Referenzpopulation genetisch nicht in einer sehr engen Beziehung stehen. Ein weiterführender Schritt in der Entwicklung wäre die Genomische Selektion Version 2.0, basierend auf individuelle Genomsequenzen und der direkten Ermittlung kausaler DNA-Varianten. Für die weitere Entwicklung der Genomischen Selektion beim Rind, und bald auch bei anderen Tierarten, prognostiziert Herr Prof. Fries einen dynamischen Verlauf. Der eigentliche Paradigmenwechsel habe jedoch bereits mit der Einführung der Genomischen Selektion 1.0 stattgefunden.

Den Paradigmenwechsel in Forschung und Züchtung thematisierte auch der dritte Vortrag von Herrn Dr. André Eggen von Illumina UK Ltd. Mit dem Titel Gestaltung der Zukunft von Genomics in der Landwirtschaft veranschaulichte  Herr Dr. Eggen, dass mit Hilfe der Genomik die nötigen Werkzeuge bereit gestellt werden, um Zuchtziele schneller zu erreichen und zu optimieren. Der Genotyp sei wichtig, aber nicht alles. Ohne den Phänotyp sei eine Selektion und Zucht nicht möglich. Ein bemerkenswerter Forschritt der Technologien sei auch die drastische Reduzierung der Sequenzierungskosten.


Der zweite Vortragsblock der Jahrestagung präsentierte ebenfalls aktuell brisante Themen. Den Anfang machte Herr Dr. Michael Marahrens vom FLI Celle mit seinem Vortrag zum Mikroklima bei langen Transporten von Rindern und Schweinen. Die Ergebnisse dieser durch das BMELV geförderten Studie zeigten deutlich die Belastung der Tiere vor und während eines Tiertransportes auf. Er empfiehlt, bereits während der Ladung der Tiere die Lüfter einzuschalten, da bereits während des Beladens ein deutlicher Temperaturanstieg zu verzeichnen sei. Der durch Rangkämpfe ausgelöste motorische Stress ließ bei den Tieren, im Gegensatz zum emotionalen Stress, die Herzfrequenz ansteigen. Eine für die Tiere lebensbedrohende Situation könnte eintreten, wenn das Fahrzeug über einen längeren Zeitraum zum Stehen käme. Herr Dr. Marahrens merkte an, dass vor diesem Hintergrund die Verordnung hinsichtlich der einzuhaltenden Pausen der Fahrer kritisch betrachtet werden sollte. Resümierend betonte Herr Dr. Marahrens, dass bei allen Tiertransporten die Lüftungsbedingungen den Außenbedingungen angepasst werden sollten.

Kritische Entwicklungen zeigte auch Herr Dr. Franz-Josef Conraths vom FLI Wusterhausen mit dem Thema Globalisierung und Klimawandel: Steigendes Risiko für Tierseuchen in Deutschland auf. Das Einschleusen von Produkten tierischer Herkunft aus dem Ausland sei zu einer bedrohlichen Gefahrenquelle für Tierseuchen geworden. Aber auch das Schiff- und das Straßennetz seien nicht zu unterschätzende Gefahrenquellen. Zudem verstärke die bereits von Statten gehende Klimaveränderung die Gefahr für die Verbreitung von Tierseuchen. So seien bei einem zukünftig auszugehenden Temperaturanstieg im Mittel um ca. 2-5 °C deutlich regionale Unterschiede zu erwarten und bisher als exotisch eingestufte Tierseuchen könnten morgen zum Alltag gehören. Die Globalisierung stelle somit eine große Gefahr für die Ausbreitung von Tierseuchen da und erfordere einen nationalen, EU- und weltweiten Handlungsbedarf.

Zum Abschluss der Jahrestagung referierte Herr Prof. Dr. Lüppo Ellerbroek vom Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin über Die Risiko orientierte Fleischuntersuchung – neue Konzepte für neue Risiken. Die Vorteile bzw. der Zweck einer Risiko basierten Kontrolle von Lebensmittelbetrieben diene zum einen der Gewährleistung höherer Lebensmittelsicherheiten und somit der Minimierung von Gesundheitsrisiken der Bevölkerung als auch der Verbesserung der Tiergesundheit und der Förderung von Tierschutzaspekten. Nach  einer ausführlichen Erläuterung der aktuellen rechtlichen Grundlagen des EU-Hygienepaketes, führte Herr Prof. Ellerbroek die zu erfüllenden Kriterien einer kontrollierten Haltung und integrierten Produktionssystemen auf, da nur bei Tieren, die aus dieser Haltungsform abstammen, auch eine visuelle risikoorientierte Fleischuntersuchung durchgeführt werde. Diese Betriebe unterliegen wiederum regelmäßigen Kontrollen, bei denen die Einhaltung der Kriterien wie Futter, Einstreu, Hygiene etc. überprüft würden. Im Allgemeinen stelle die Risiko orientierte Fleischuntersuchung eine gezielte diagnostische Vorgehensweise dar, die jedoch den engen Kontakt zwischen Schlachthofbetreiber, Landwirt und dem Untersuchungspersonal erfordere. Als problematisch werden die Mehrkosten und die Einhaltung aller Kriterien für eine integrierte Produktion und kontrollierte Haltung angesehen. Eine Verbesserung der Kommunikation aller Beteiligten und eine höhere Akzeptanz der visuellen Fleischuntersuchung in der Primärproduktion seien dringend erforderlich.

Mit dieser Bandbreite an aktuellen Themen und den zahlreich erschienenen Zuhören aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zeigte sich die Jahrestagung auch in diesem Jahr als erfolgreiche Vortragsveranstaltung. Bevor es mit dem geselligen Abendprogramm an der Kieler Förde weiterging, wurde zur DGfZ-Mitgliederversammlung eingeladen, bei der mitunter die Neuwahl des Präsidiums auf der Agenda stand. Der bisherige Präsident Dr. Ernst-Jürgen Lode ist auf eigenem Wunsch aus dem Amt des Präsidenten ausgeschieden. Außerdem hatte sich Herr Prof. Dr. Gerhard Flachowsky nicht mehr zur Wiederwahl als Präsidiumsmitglied gestellt. Von der Mitgliederversammlung wurde Herr Dr. Otto-Werner Marquardt für die nächsten drei Jahre zum neuen Präsidenten der DGfZ gewählt. Als Vizepräsidenten stellten sich Herr Prof. Dr. Georg Erhardt und Herr Prof. Dr. Harald Sieme zur Wiederwahl und bleiben in ihrem Amt bestätigt. Weiterhin wurde Herr Leo Siebers als Präsidiumsmitglied für weitere drei Jahre wiedergewählt. Neu im Präsidium wird Herr Prof. Dr. Klaus Eder künftig den Bereich der Tierernährung vertreten und aktiv unterstützen. Die Mitgliederversammlung wählte zudem auf Vorschlag des Präsidiums Herrn Dr. Lode zum Ehrenpräsidenten der DGfZ.

Der erste Tag fand seinen festlichen Abschluss in der Halle 400, die direkt an der Kieler Förde lag. Neben Seeluft, gutem Essen und zahlreichen Gesprächen, wurde bis in die frühen Morgenstunden das Tanzbein geschwungen.

 

Die Beiträge der DGfZ-Jahrestagung werden in der Züchtungskunde 1/2011 nachzulesen sein. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an die DGfZ-Geschäftsstelle.