EUROTIER 2022: DGfZ präsentiert Feed for Future – Hoffnungsträger Insektenproduktion?
– Durchweg positive Resonanz für DGfZ-Fachsession: Einstieg in die Insektenproduktion – Neue Chancen und Möglichkeiten für landwirtschaftliche Betriebe – Eine fachliche und juristische Einordnung –
Eine gelungene Veranstaltung verzeichnete die Deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde (DGfZ) auf der EuroTier, die vom 15. bis 18. November 2022 endlich wieder in Präsenz in Hannover stadtfand. Insektenfuttermittel als alternative Proteinquelle für die Tierfutterherstellung, so lässt sich das zukunftsträchtige Thema, dem sich die DGfZ auf der weltgrößten Messe für Tierhaltung und -management widmete, kurz umreißen. Über 60 Personen folgten den informativen Vorträgen der hochkarätigen Referenten, die die DGfZ für ihr DLG-Spotlight gewinnen konnte.
Den wissenschaftlichen Aufschlag übernahm Prof. Dr. Christian Visscher von der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Er gewährte einen Einblick in die Anwendung von insektenbasierten Futtermitteln und den Nutzen für Betriebe. Zu Beginn schilderte er zunächst die Ausgangssituation. Derzeit sind Futtermittel ein großer Kostenfaktor und die Volatilität der Preise sehr hoch. Somit lässt sich oftmals nur eine geringe Wertschöpfung für den Landwirt generieren. Des Weiteren verlangt das Streben nach einer nachhaltigeren Landwirtschaft auch neue Ideen, zum Beispiel bzgl. der Nutzung von Nebenprodukten. Aufgrund dieser nicht leichten Ausgangssituation prüfen Landwirte stets neue Möglichkeiten von Einkommensalternativen. Ist ein alternativer Rohstoff grundsätzlich für die Verfütterung an Nutztiere geeignet, gilt es, noch andere Aspekte vor deren Einsatz zu bedenken wie eine standardisierte Qualität der Rohware, die Verfügbarkeit, die Integration in eine nährstoffreduzierte Fütterung und den Einfluss auf die Produktqualität des erzeugten Lebensmittels. Positiv für die Ressourcenbilanz der Insektenproduktion können unter optimierten Zuchtbedingungen auch die hohe Anzahl an Generationszyklen pro Jahr und das schnelle Wachstum der Insekten sein, da vergleichsweise rasch hochwertige Biomasse aufgebaut wird.
Wie sieht es mit der Futterqualität von Insekten aus? Grundsätzlich sind Insekten eine hochwertige Nahrungsquelle mit hohen Protein- und Fettgehalten, reich an ungesättigten Fettsäuren, essentiellen Aminosäuren und Mikronährstoffen wie Vitaminen und Spurenelementen. Schwerpunktmäßig legte Professor Visscher sein Augenmerk auf die Proteinqualität der Insekten, was sie zu einer sehr interessanten alternativen Proteinquelle macht. Hinsichtlich der Aminosäurenzusammensetzung gibt es allerdings auch Unterschiede zwischen jungen und erwachsenen Tieren. So enthalten zum Beispiel Mehlwurmlarven mehr Leucin (29%), Phenylalanin (35%) und Thyrosin (120%) als die adulten Tiere die mehr Glycin (62%) und Tryptophan (37%) enthalten. Methionin und Cystein sind in der Regel die ersten limitierenden Aminosäuren bei den meisten Insektenarten. Erfreulicherweise ist die Bioverfügbarkeit sehr gut und mit Fischmehl vergleichbar. Als Ausnahme sticht hier die Larve der schwarzen Soldatenfliege hervor, die eine geringere Aminosäurenverdaulichkeit aufweist, besonders für Methionin und Cystein.
Der Fettgehalt von Insekten liegt zwischen 10 und 70% der TS. Die Fettsäurenzusammensetzung von Insekten hängt von der Art und dem Lebensstadium sowie von Bedingungen wie Ernährung, Temperatur und Licht ab. Sie sind sogar in der Lage gesättigte und einfach ungesättigte Fettsäuren zu synthetisieren. Gezüchtete Insekten enthalten relativ geringe Gehalte an Linolensäure, wenn ihre Nahrungsgrundlage hauptsächlich auf Getreide oder Getreidenebenprodukten basiert. Die Larven der schwarzen Soldatenfliege hingegen weisen unabhängig von ihrer eigenen Ernährung ein besonderes Fettsäurenprofil auf, das reich an Laurinsäure (C12: 0) ist.
Neben aller Euphorie hat die Forschung allerdings auch noch wichtige Fragen auf der Agenda, da es sich um eine noch junge Wissenschaft handelt. Insbesondere die mikrobielle Belastung, Toxine und Antinutritiva müssen weiter untersucht werden.
Ein besonderes Augenmerk wird derzeit auch auf die Futtergrundlage für die Insekten selbst gelegt, das insbesondere auf Neben- und Reststoffen basieren sollte. Auch mit dieser Fragestellung sind viele Forschungsinstitute bereits beschäftigt. Für Insekten als Futtermittel in der Nutztierhaltung zur Ernährung des Menschen, sowie für Hühner-, Schweine- und Rinderhaltung, gelten strenge Anforderungen. Neben den Vorzügen und Möglichkeiten, die eine Kreislaufwirtschaft mit Nebenprodukten diesbezüglich bieten, finden zur Anzucht der Insekten diverse Abfallströme nur bedingt Verwendung. Inwieweit kann die Landwirtschaft und besonders der einzelne Landwirt von dieser rasanten Entwicklung und den möglichen Chancen profitieren? Gerade in Zeiten rasant steigender Preise für traditionelle
Futtermittel und der damit einhergehenden Planungsunsicherheit bietet das Insektenfarming
für den Landwirt interessante Perspektiven.
Niklas Wolfering von der Firma Illucens aus Ahaus informierte, wie hochwertige Futtermittelzutaten auf Insektenbasis hergestellt werden und wie Landwirte sich am Produktionsprozess Vom Insekt zum Futtermittel
beteiligen können. Die Firma Illucens produziert an ihrem Standort in industriellem Maßstab Larven der Schwarzen Soldatenfliege (Hermetia Illucens), die in Form von getrockneten Larven, Insektenmehl oder -öl für die Nutztier- und Heimtierfütterung eingesetzt werden können.
Wolfering ging in seinem Vortrag insbesondere auf Mastanlagen, Planungs- und Bewirtschaftungshilfen ein, die Landwirten angeboten werden. Er stellte Beispiele für Anlagen vor und schlug damit einen Bogen von der Theorie zur praktischen Ausführung auf dem landwirtschaftlichen Betrieb. Die Larve der Schwarzen Soldatenfliege wird bis zu ihrer Verpuppung mehrere Tage gemästet. Diese Produktionseinheit könnte von Landwirten übernommen werden und stellt besonders für Schweinemäster in schwierigen Zeiten eine zukunftsfähige Möglichkeit zum Einkommenserwerb dar. Die Produktionsbereiche Zucht und Vermarktung verbleiben bei Illucens. So kann der Landwirt unkompliziert einsteigen und möglicherweise bestehende Gebäude sinnvoll nutzen.
Dr. Arnhild Wolter vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung stellte abschließend die wichtigsten rechtlichen Rahmenbedingungen vor, die es bei der Anwendung von Futtermitteln mit Insekten zu beachten gilt. So ist z.B. die Larve der Soldatenfliege anspruchslos, insbesondere kann sie mit einfachen organischen Nährstoffen gefüttert werden. Hier besteht die Chance, Reststoffe der Lebensmittelindustrie, zu preiswerten Futtermitteln verarbeitet, für die Insektenzucht zu nutzen. Dem Einsatz von Abfallstoffen als Futtermittel sind aber auch klare Grenzen gesetzt, da für das Futter von Insekten, die gleichen strengen Anforderungen wie für Futtermittel in der herkömmlichen Nutztierhaltung gültig sind. Produziert ein Landwirt selbst Insekten, unterliegt die Produktion dem Futtermittelrecht und es müssen weitere Bestimmungen und Hygienevorschriften beachtet werden. Hierbei wird der Landwirt aber nicht allein gelassen und kann Beratung und Hilfe in Anspruch nehmen.
Moderiert wurde die Fachsession von Dr. Bettina Bongartz, Geschäftsführerin der DGfZ. Sie führte auch durch die engagierte Diskussion der Referenten mit dem Auditorium. Gerade die Frage wie starte ich als Landwirt in das Insektenfarming
beschäftige die Zuhörer. Wertvolle Tipps kamen hierbei insbesondere vom Vertreter der Firma Illucens, die nach der Fachsession Einzelberatungen am Stand anboten. Neben den praktischen Fragen seitens der Landwirte ergab sich auch zwischen einigen Fachexperten eine Diskussion bzgl. der derzeitigen Rechtslage, die zeigte, wie komplex die Sache und gute Information unabdingbar ist. Die DGfZ nutzte auch die Möglichkeit, mit einem kleinen Infostand vertreten zu sein und bot neben der Information rund um die DGfZ auch ihre Hilfe bei der Vermittlung qualifizierter Ansprechpartner zum Thema Insektenzucht an.
Foto: v.l.n.r. Dr. Arnhild Wolter, Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung; Dr. Bettina Bongartz, DGfZ; Niklas Wolfering, Firma Illucens; Prof. Dr. Christian Visscher, Institut für Tierernährung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (© DGfZ))
Quelle: DGfZ