Neue Herausforderungen für die Schweinezucht und –produktion
9. Schweine-Workshop 19. und 20. Februar 2013 in Uelzen
Fachlich hochkarätige Diskussionen zwischen Wissenschaft und Praxis standen auch in diesem Jahr wieder im Mittelpunkt des 9. Schweineworkshops, der am 19. und 20. Februar 2013 in Uelzen unter der Federführung von Professor Dr. Dr. h. c. mult. Ernst Kalm von der Kieler Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität Kiel, der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde e.V. (DGfZ), dem Zentralverband der Deutschen Schweineproduktion e.V. (ZDS) und der Uelzener Allgemeinen Versicherung veranstaltet wurde.
Thema waren neue Herausforderungen für die Schweinzuch und –produktion. Über 110 Fachteilnehmern aus Wissenschaft, Ministerien, Zucht- und Besamungsorganisationen und Erzeugerringen sowie der Praxis sorgten für professionelle und konstruktive Diskussionen. In 24 Vorträgen zu Struktur- und Entwicklungstendenzen, neuen Leistungsmerkmalen, aktuellen Gesundheitskonzepten, neuen Züchtungsstrategien wie Genomische Selektion
und Fragen des Managements zu den Themen Tierwohl, Ebermast und Nachhaltigkeit wurden wesentliche, die Schweineproduktion betreffende Themenbereiche umfassend bearbeitet.
Steigender Fleischverbrauch und Globalisierung erhöhen den Druck auf die Landwirtschaft
Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass der Fleischverbrauch bis zum Jahr 2020 auf über 370 Millionen Tonnen steigen wird. Davon entfallen 30 %, das heißt 100 Millionen Tonnen, auf Schweinefleisch. Deutschland gehört neben China, USA, Spanien und Brasilien im Bereich Schweineproduktion zu den weltweit führenden Staaten. Dabei steht die deutsche Schweineproduktion unter einem enormen Anpassungsdruck. Zunehmende Globalisierung der gesamten Landwirtschaft führen zu einem Strukturwandel hin zu immer größeren Betrieben und weiterer Spezialisierung.
Heute arbeiten in der Schweineproduktion Deutschlands ca. 30.300 schweinehaltende Betriebe, darunter 13.300 Zuchtsauenbetriebe. Diese halten 2.19 Mio. Zuchtsauen und ca. 26.000 Eber. Für 2013 wird mit einem Produktionsvolumen von 57 Mio. Schlachtschweinen gerechnet, damit würde der Selbstversorgungsgrad auf über 115 % ansteigen (EU 110%). Leistungsfortschritte und Kostenminimierung sind weiterhin die treibenden Kräfte.
In der Praxis werden die Haltungsverfahren schon seit Jahren unter dem Aspekt Tierschutz und Nachhaltigkeit weiterentwickelt. Auch auf der politischen Ebene ist die moderne Tierhaltung angekommen und steht im Fokus fast aller Parteien. Aktuell hat das Thema Tierwohl eine breite Debatte ausgelöst. Dabei müssen sachlich fachliche Argumente im Mittelpunkt stehen und objektive Beurteilungskriterien für das Tierwohl wissenschaftlich erarbeitet werden. Und dies sind nur einige Fakten, die die Bedeutung des 9. Schweine-Workshops belegen.
Thema: strukturelle Entwicklung der Schweineproduktion
So wurde im ersten Themenblock des Workshops über strukturelle Entwicklungen der Schweineproduktion diskutiert, die weiter auf einen massiven Verdrängungswettbewerb zusteuert. Bestandsgrößen von 300 Sauen und 2.000 - 4.000 Mastplätzen sind in den einzelnen Regionen Standardgrößen. Wichtig ist, dass die gesellschaftliche Diskussion für mehr Umwelt- und Tierschutz gemeinsam mit der Praxis geführt wird. Die Landwirte sind offen für fachliche Diskussionen, sperren sich aber verständlicher Weise gegen ideologische Pseudoargumente.
Ein wichtiges Thema, das anhand neuer Ergebnisse aus der Wissenschaft diskutiert wurde, war das Kastrationsverbot für Eber, das zum Verfahren der Ebermast führt. Die Mastleistung, Futterverwertung und auch die Schlachtkörperqualitäten sprechen für die Mast von Jungebern; Probleme können durch den so genannten Ebergeruch
und die nicht objektive Schlachtkörperqualitätsbezahlung auftreten. Hierzu wurden verschiede Lösungsansätze aufgezeigt und erörtert.
Thema: neue Merkmale und Leistungsprüfung
Im zweiten Block der Themen standen neue Merkmale und die Leistungsprüfung im Mittelpunkt. Welche neuen Merkmale wie z.B. das Verhalten der Schweine, Aggressivität von Sauen, Laktationseffizienz der Sau (d.h. Futterenergieinput der Sau in Relation zu der Gewichtszunahme der Ferkel), Qualitätsprüfung Ebergeruch
sollen in die Leistungserfassung routinemäßig aufgenommen werden. Tierschutzaspekte und Produktqualität führen bei den Zuchtunternehmen zu einer Weiterentwicklung der Datenerfassungskonzepte. Die exakte Datenerfassung in praktischen Betrieben wird zukünftig wichtiger und die Beteiligten der Zucht-, Produktionsstufe einschließlich Verarbeitung diskutierten intensiv über Monitoringsysteme in Form von gelenkten Felderhebungen. Dabei sollten auch die Tiermediziner aktiv in die Datenerfassung einbezogen werden.
Gefahr Tierseuchen
Tierseuchen stellen eine große Gefahr für spezialisierte Schweinehaltungsbetriebe dar, hier wurden unter dem Begriff Gesundheit
neue Strategien für Unternehmer vorgestellt. In der Milchviehhaltung wird die Eutergesundheit indirekt über die Zellzahl erfasst. In der Sauenhaltung erkranken jährlich 10-30 % der Sauen an MMA – Mastitits-Metritis-Agalaktie-Komplex, eine systematische Erfassung und Zuchtansätze wurden vorgestellt. Vorschläge für die routinemäßige Nutzung der Schlachtrückmeldungen zur Optimierung der Tiergesundheit lassen sich umsetzen, wie Ansätze in Westfalen zeigen. Engagement der Schlachtunternehmen und der Beratung sind hier gefordert, damit die Datenanalyse zur Routine wird. Die Versicherungswirtschaft stellte interessante Konzepte vor, die bei der Bewältigung von Risiken insbesondere bei spezialisierten Betrieben helfen.
Genomische Selektion in der Schweinezucht
Ein weiterer Schwerpunkt lag in der Umsetzung von neuen Züchtungsstrategien – wie der genomischen Selektion. Das Verfahren der genomischen Selektion hat sich in der Rinderzucht bewährt. Aus der Schweinezucht wurden Ansätze bei den Vater- und Mutterlinien vorgestellt. Für die Entwicklung und Nutzung dieser Zukunftstechnologie ist es wichtig, dass die Zuchtverbände und Zuchtorganisationen aktiv über Organisationen hinweg zusammenarbeiten, Abschottung und sogenannte Kirchtumspolitik behindert die Entwicklung. Die Rinderzüchter haben hier die Zeichen der Zeit erkannt, und arbeiten u.a. europaweit gut zusammen. Die praktische Umsetzung bei den Schweinen wird entscheidend von den Kosten/Nutzen-Überlegungen geprägt, hier hat die Wissenschaft Konzepte vorgestellt und intensiv diskutiert, beispielsweise die Züchtung gegen Ebergeruch.
Thema: Produktionsmanagement, Tierschutz und Nachhaltigkeit
Der letzte Themenkomplex widmete sich den Themen des Produktionsmanagements in Richtung Tierschutz und Nachhaltigkeit. Die Auswirkungen des Kastrationsverbotes führen zur Jungebermast, Optimierungsansätze für dieses Produktionsverfahren wurden anhand aktueller Forschungsergebnisse vorgestellt. Schwanzbeißen führt zu Verlusten in der Mast, Forschungsarbeiten zur Minimierung dieses Problems standen zur Diskussion. Die Datenbank für den Antibiotika-Einsatz in der Produktionsstufe bis hin zu einer Erweiterung in Richtung konsequenter Datenerfassung durch die behandelnden Tiermediziner lieferte viel Diskussionsstoff. Zum Abschluss wurde die Ökobilanzierung in Richtung Nachhaltigkeit der Produktion vorgestellt.
Konstruktive Diskussionen zwischen Wissenschaft und Praxis
Der Workshop lieferte wertvolle Hinweise und Erkenntnisse und zeigte Perspektiven für die deutsche Schweineproduktion auf, wie die Herausforderungen durch die sich ändernden wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen erfolgreich bewältigt werden können
, resümierte DGfZ-Präsident Dr. Otto-Werner Marquardt. Er zeigte sich von der rundum gelungenen Veranstaltung begeistert. Es ist wichtig, dass Wissenschaft und Praxis Hand in Hand zusammenarbeiten, nur so entstehen praktikable und erfolgreiche Konzepte für die Zukunft
, erläuterte Dr. Marquardt und wies auf die Folgeveranstaltung 2014 in Uelzen hin, die ganz im Zeichen der Pferde stehen wird.
Der Tagungsband des Workshops (Heft 62 der DGfZ-Schriftenreihe) kann bei der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde e.V. (DGfZ), Adenauerallee 174, 53113 Bonn, Fax 0228-9144766. E-Mail: info@dgfz-bonn.de für 10,- € zzgl. Porto angefordert werden.
Quelle: Professor Dr. Dr. h. c. mult. Ernst Kalm/DGfZ