DGfZ stellt Positionspapier zur Zukunft einer gesunden Milchkuh vor
Wie sieht unsere aktuelle Milchviehzucht und -haltung aus? Wo brauchen wir zukunftsweisende Veränderungen? Welche Vorteile und welche Nachteile entstehen bei unterschiedlichen Strategien? Viele Fragen auf die die DGfZ-Projektgruppe Zukunft gesunde Milchkuh
in ihrem Positionspapier Antworten liefert.
Die Projektgruppe der Deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde (DGfZ) Zukunft gesunde Milchkuh
hat ihr Positionspapier Zukunftsfähige Konzepte für die Zucht und Haltung von Milchvieh im Sinne von Tierschutz, Ökologie und Ökonomie
veröffentlicht, an dem Landwirte, Wissenschaftler, Züchter und Tierärzte mitgewirkt haben. Das Papier zeigt Strategien für die Zucht, Haltung und Fütterung sowie das dazugehörige Management für eine zukunftsfähige Milchviehhaltung auf. Dabei wurden Möglichkeiten und Grenzen von Maßnahmen wissenschaftlich fundiert erörtert, denn nicht jeder Wunsch
der Gesellschaft ist unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen der Produktion umsetzbar. Bestehende Zielkonflikte haben darüber hinaus einen entscheidenden Einfluss darauf, welche betriebsindividuellen Entscheidungen der Landwirt treffen muss. Dies deutlich zu kommunizieren, ist ein Grundbaustein für die Akzeptanz der zukünftigen Milchviehhaltung in Deutschland.
Die Nutztierhaltung spielt zur Bewältigung globaler Herausforderungen wie der Ernährungssicherung und des Klimawandels eine große Rolle. Die Leistung der Nutztiere, Wechselwirkungen zwischen Leistung und Tiergesundheit sowie die Nutzungsdauer der Tiere sorgen immer wieder für gesellschaftliche Diskussionen und leider auch viel zu oft für negative Schlagzeilen, die eine ganze Berufsgruppe diskreditieren und die Verbraucher verunsichern. Die derzeitige große Herausforderung für Wissenschaft, Praxis und Beratung besteht darin, die aktuellen Tierhaltungssysteme so weiterzuentwickeln, dass die Aspekte der Tiergesundheit, der Leistungsfähigkeit, der Ökologie, der Ökonomie und der in der Landwirtschaft arbeitenden Menschen mit dem Ziel der gesellschaftlichen Akzeptanz bestmöglich in Einklang gebracht werden. Dabei müssen die Aspekte interdisziplinär betrachtet und bewertet werden.
Was kann die Zucht leisten?
Genetik, Zucht und Selektion haben seit jeher einen großen Einfluss auf Menge und Qualität tierischer Produkte. Zuchtziele haben sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte verändert und sich oftmals den Bedürfnissen der Gesellschaft angepasst. Neben der Bewältigung globaler Herausforderungen hat die Tierzucht das Ziel, die Genetik stets zu verbessern, um die Wettbewerbsfähigkeit der Milchviehhalter zu sichern. Ziel sollte daher sein, eine gesunde, robuste, thermotolerante Kuh mit einer langen Nutzungsdauer zu züchten. Dafür stehen dem Landwirt verschiedene Instrumente wie zum Beispiel die genomische Zuchtwertschätzung zur Verfügung, die in den letzten Jahrzehnten stets verbessert wurden.
Mit diesen neuen Selektionsinstrumenten sowie der Anwendung neuer Zuchtwerte lassen sich auch betriebsindividuelle Zuchtziele leichter erreichen. Da schon zur Geburt des Kalbes deutlich genauere genomische Zuchtwerte vorliegen, haben Landwirte jetzt die Möglichkeit, bereits frühzeitig Selektionsentscheidungen zu treffen. Idealerweise können die genetisch wertvollsten Tiere mit gesextem Sperma von hochwertigen Bullen belegt werden und die genetisch schwächeren mit Gebrauchskreuzungsbullen. Alternativ können genetisch schwächere Tiere auch als Trägertiere für wertvolle Embryonen von genomisch selektierten Toptieren genutzt werden.
Folglich kann die Anzahl an Rindern für die Remontierung gesenkt und damit die durchschnittliche Nutzungsdauer der Kühe gesteigert werden. Kreuzungskälber erzielen zudem einen besseren Preis, allerdings könnte die Geburt schwieriger verlaufen.
Auch die Anwendung neuer Zuchtwerte kann erheblich zum Tierwohl, zur Ressourcenschonung und zur ökonomischen Stabilität beitragen. Im April 2019 wurde die Zuchtwertschätzung für insgesamt 13 Gesundheitsmerkmale eingeführt (RZGesund), und ab August 2020 soll ein neuer ökonomischer Gesamtzuchtwert etabliert werden. Ab 2021 ist dann geplant, Gesundheitszuchtwerte im Gesamtzuchtwert RZG zu berücksichtigen. Neben diesen Entwicklungen steht in nächster Zukunft die Entwicklung von Zuchtwertschätzsystemen für die Merkmale Futteraufnahmevermögen und Futtereffizienz im Vordergrund.
Führt eine geringere Milchleistung wirklich zu einer Verbesserung der Gesundheit und einer Verlängerung der Nutzungsdauer? Dieses häufig vorgebrachte Argument wurde von der Projektgruppe genauer unter die Lupe genommen. Auswertungen relevanter Kennziffern zeigen für praktische Milchviehbetriebe mit höheren Milchleistungen eine vergleichsweise bessere Gesundheit und Nutzungsdauer bei guter Managementqualität. Diese ist allerdings eine wesentliche Voraussetzung für eine gesunde Herde. Die Projektgruppe hält daher die Einführung von neuen gesundheitsbezogenen Merkmalen sowie die Nutzung genomischer Informationen für einen effektiven Weg, die Nachhaltigkeit der Milchproduktion zu verbessern.
Vorschläge für Verbesserungen des Haltungssystems
Um auch in Zukunft nachhaltig Milch zu produzieren, bedarf es einer intensiveren Kälberaufzucht, einem geringeren Ausscheiden von Jungkühen und somit einer deutlichen Erhöhung der Nutzungsdauer und Verringerung der Reproduktionsraten. Ein Aspekt, der in Zukunft möglicherweise verstärkt in einigen Betrieben der Milchviehhaltung Umsetzung finden wird, ist eine längere Freiwillige Wartezeit von der Kalbung bis zur erneuten Besamung. Untersuchungen der LFA MV ergaben eine deutlich bessere Persistenz der Laktation bei spät besamten Kühen. Die Kühe mit einer Freiwilligen Wartezeit von 180 Tagen hatten wie in den Untersuchungen des LFA MV 1.000 kg mehr Milch in der 305-Tage-Leistung. Zudem wiesen sie mit 50 % den höchsten Erstbesamungserfolg auf. Aufpassen muss man, dass die Kühe zu Laktationsende nicht verfetten. Man muss sie aber wahrscheinlich auch nicht mit 30 kg Milch und mehr trockenstellen und spart ggf. Antibiotikum.
Die technischen Entwicklungen schreiten auch in der Tierhaltung immer weiter voran. Zunehmende Automatisierung und Nutzung von Sensortechniken bieten Vorteile, die sich sowohl positiv auf die Tiergesundheit als auch auf das betriebswirtschaftliche Ergebnis auswirken können. Weitere Aspekte wie das Fütterungsmanagement und die Rationsgestaltung, Besonderheiten in der Transitphase, Emissionsminderung und Klimawandel werden in dem Positionspapier ausführlich behandelt.
Mitglieder der Projektgruppe: Prof. Gerhard Breves (Tierärztliche Hochschule Hannover, Leiter), Thomas Engelhard (LLG Sachsen-Anhalt), Ulrich Westrup (Westrup-Koch GbR Bissendorf, Landwirt), Dr. Otto-Werner Marquardt (DGfZ Bonn), Dr. Johannes Heise (vit Verden), Dr. Bettina Bongartz (DGfZ Bonn), Dr. Jan Hendrik Schneider (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft), Dr. Anke Römer (LFA MV Dummerstorf), Hans-Willi Warder (Osnabrücker Herdbuch eG), Dr. Reinhard Reents (vit Verden)
Quelle: DGfZ