Streit um Nachkommen geklonter Tiere dauert an
Aus Sicht der Lebensmittelsicherheit seien keine Bedenken bekannt, die diesen Schritt rechtfertigen würden. Gleiches gelte für den Tierschutz, da die Nachkommen auf konventionellem Wege gezüchtet worden seien. Die EU müsse das Abkommen zu pflanzen- und tierseuchenrechtlichen Vereinbarungen (SPS-Abkommen) einhalten. Ethische Argumente allein reichten für eine Verletzung des SPS-Abkommens nicht aus.
Auch die Einführung eines Zulassungsverfahrens für Produkte von Nachkommen lehnt De Gucht ab: Das würde sich genauso wie ein Verbot auswirken. Beide Schritte führten praktisch zur Blockade sämtlicher tierischer Produkte aus Drittländern, da diese Staaten über keine ausreichenden Rückverfolgbarkeitssysteme verfügten. Die Kommission erwartet für einen solchen Fall umgehende Sanktionen der USA, deren wirtschaftliche Verluste für EU-Unternehmen aufgrund früherer Erfahrungen auf 250 Mio Euro jährlich geschätzt werden. Ferner sei mit Rückschlägen in der Doha-Runde und bei bilateralen Freihandelsgesprächen zu rechnen, so der Belgier. Innerhalb der Kommission als ausgemachte Sache gilt offenbar, dass in Europa bereits heute unerkannt Produkte von Klonnachkommen auf dem Markt sind. Durch die britische Presse ging im vergangenen Sommer der Fall von mehreren Rindern, die nachweislich von einer in den USA geklonten Kuh abstammten.
Hintergrund von De Guchts Auftritt im Parlament ist das Näherrücken der entscheidenden Verhandlungsphase im Vermittlungsausschuss zur Novelle über das Inverkehrbringen neuartiger Nahrungsmittel. Ein zentraler Stolperstein ist nach wie vor die Frage, ob sich ein Moratorium für die Anwendung der Klontechnik in der Nutztierhaltung auch auf die Produkte von Nachkommen geklonter Tiere erstrecken soll oder nicht. Die Unterhändler des Hohen Hauses, des Rates und der Kommission haben nur noch bis zum 16. März Zeit, um einen Kompromiss zu finden; ansonsten wäre das Verfahren gescheitert. Die jüngste Vorbereitungssitzung am Dienstag vergangener Woche brachte EU-Diplomaten zufolge wenig Neues, auch wenn die ungarische Ratspräsidentschaft mittlerweile formell anbot, Nahrungsmittel, die aus geklonten Tieren selbst hergestellt wurden, unmittelbar mit dem Inkrafttreten der Verordnung zu verbieten. Dieser Schritt wurde vom Parlament begrüßt, aber als nicht ausreichend bezeichnet. Fortschritte gab es bei technischen Punkten, die aber erst im Falle einer Gesamteinigung relevant wären.Wie aus einem kommissionsinternen Non-Paper
hervorgeht, das im Vorfeld der Aussprache zwischen De Gucht und dem Handelsausschuss unter Parlamentariern zirkulierte, beläuft sich der Gesamtwert der Einfuhren von Rindfleisch- und Milchprodukten, Häuten und Fortpflanzungsmaterial aus Drittländern in die EU auf durchschnittlich rund 2 Mrd Euro jährlich für den Zeitraum 2008 bis 2010. Gleichzeitig exportierte die EU entsprechende Waren im Wert von 6,9 Mrd Euro pro Jahr. Im Schweinebereich stehen jährlichen Importen in Höhe von 400 Mio Euro Exporte von 4 Mrd Euro gegenüber. Laut Kommission bringt die EU rund 10 % ihrer Schweinefleischproduktion auf den Weltmarkt und ist damit der wichtigste Anbieter überhaupt. Bei Milch wurde zuletzt ein Zehntel der Produktion exportiert. Nach Ansicht der Behörde sind die genannten Posten durch die Einführung eines Importverbots für die Produkte von Klonnachkommen insgesamt in Gefahr.
Über die Verbraucher sollen Produkte entsorgt werden, die vor allem aus ethischen Gründen für viele nicht akzeptabel sind, monierte Then in einer Pressemitteilung. De Gucht wolle vor den Lobbyisten der Agrarindustrie kapitulieren. Das sei umso weniger verständlich, da letztlich nur einige wenige Firmen an der Klontechnik verdienten. Testbiotech hatte 2010 für die Grünen im Europäischen Parlament einen Report erstellt, in der Risiken und Konsequenzen der Einführung des Klonens von Nutztieren dargestellt werden. Testbiotech empfiehlt Kontrollen vor allem beim Import von Zuchtmaterial. Die dafür notwendigen Systeme zur Erfassung geklonter Tiere und ihrer Nachkommen seien technisch realisierbar. Beispielsweise seien Abstammungsnachweise in der Tierzucht durchaus üblich. (ADR)