24.03.2006rss_feed

Warum die Vogelgrippe nicht von Mensch zu Mensch springt

Die Viren vermehren sich nur innerhalb tiefer Bereiche der menschlichen Atemwege und gelangen daher nicht leicht nach außen

Wenn das Vogelgrippevirus H5N1 einen Menschen infiziert, nistet es sich im Gegensatz zu anderen Grippeviren nicht in den oberen Atemwegen ein. Vielmehr dockt es an tiefer sitzende Lungenzellen an, dringt in sie hinein und vermehrt sich dort, haben zwei Forscherteams unabhängig voneinander entdeckt. Diese Besonderheit ist nach Ansicht der Wissenschaftler der Hauptgrund dafür, dass die Viren nicht von Mensch zu Mensch übertragen werden: Während nämlich Erreger aus den oberen Atemwegen beim Husten oder Niesen ausgestoßen werden, sitzen die H5N1-Viren dafür zu tief. Allerdings wurden in Hongkong bereits zwei
Virusvarianten isoliert, die im Labor neben den Lungenzellen auch Zellen der Bronchien und des Rachens befallen konnten, berichten die Forscher. Dabei handelte es sich jedoch um einen Einzelfall, bei dem sich die veränderten Viren aus bislang unbekannten Gründen nicht weiterverbreiten konnten.

Damit sich ein Grippevirus an eine Zelle anheften kann, benötigt es einen Schlüssel, der genau zu den Schlossmolekülen auf der Oberfläche der jeweiligen Zelle passt. In den oberen Atemwegen des Menschen - Nasenschleimhaut, Rachen, Luftröhre und Bronchien - gibt es praktisch ausschließlich eine einzige Variante dieser Schlösser, den Typ alpha-2,6. Genau dafür besitzen menschliche Grippeviren den Schlüssel: In ihrer Proteinhülle befindet sich ein Eiweiß namens Hämagglutinin, mit dessen Hilfe sie an die Schlösser andocken können und so
Zutritt zu den Zellen erhalten.

Vogelgrippeviren sind dagegen mit einer etwas anderen Variante des Hämagglutinins ausgestattet. Diese Version des Eiweißes passt nicht in die alpha-2,6-Schlösser, sondern nur in Schlösser vom Typ alpha-2,3, wie sie in den Atemwegen und auch anderen Organen von Vögeln vorkommen. Während Wissenschaftler bislang davon ausgingen, dass diese Schlossvariante beim Menschen praktisch nicht vorkommt, konnten die Forscher nun jedoch das Gegenteil nachweisen: Zwar gibt es keine alpha-2,3-Schlösser in den oberen Atemwegen, doch die Lungenbläschen und die äußersten Ausläufer der Bronchien besitzen sie sehr wohl - und genau diese Zellen werden bei einer Infektion mit dem H5N1-Virus befallen.

Würde sich nun das Hämagglutinin des Vogelgrippevirus so verändern, dass es auch in die alpha-2,6-Schlösser passt, könnte es durchaus von Mensch zu Mensch übertragen werden, schreiben die Forscher. Ähnliches ist bei vergangenen Grippewellen wie der verheerenden spanischen Grippe von 1918 passiert. Während dabei jedoch lediglich eine kleine Veränderung nötig war, scheint dieser Übergang bei H5N1 nicht ganz so schnell zu gehen, hatten Wissenschaftler bereits in der vergangenen Woche berichtet: Zumindest die Mutationen, die den Viren in der Vergangenheit den Sprung vom Vogel auf den Menschen ermöglichten, verursachen einen solchen Übergang bei H5N1 nicht.

Quelle: wissenschaft.de