Wissenschaftler erforschen Handlungsoptionen zur Reduktion von Lebensmittelabfällen
Millionen Tonnen an Lebensmitteln landen jährlich im Abfall, obwohl sie noch essbar sind. Kleine Makel an Obst und Gemüse oder ungenaue Kalkulationen bei der Essenszubereitung: Die Gründe, warum noch genießbares Essen in der Tonne landet, sind vielfältig. Ideen, um die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren, gibt es viele und sie werden von der Bundesregierung aktiv unterstützt. Aber welche Maßnahmen sind tatsächlich sinnvoll, damit Lebensmittelversorgung und -konsum zukünftig nachhaltiger werden?
Im Rahmen des Forschungsprojektes REFOWAS - "Pathways to Reduce Food Waste"suchen Wissenschaftler seit 2015 nach Antworten, um Handlungsoptionen zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen geben zu können. Dabei konzentrieren sie sich auf die Themenfelder Obst- und Gemüseproduktion, Bäckereien, Privathaushalte und Schulverpflegung. Dazu wurden jeweils gemeinsam mit Akteuren der Branche entsprechende Fallstudien erarbeitet, um die Gründe der Abfallentstehung sowie die Auswirkungen besser zu verstehen und geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen entwickeln zu können. Am Projekt sind neben dem Thünen-Institut, die Universität Stuttgart, das Max Rubner-Institut und die Verbraucherzentrale NRW beteiligt. Das Forschungsprojekt REFOWAS wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderschwerpunkts Sozial-ökologische Forschung (SÖF) gefördert.
Optische Kriterien zu hoch bewertet
Erste Ergebnisse wurden bei einem Treffen im Thünen-Institut in Braunschweig vorgestellt und mit Experten diskutiert. Bei der Produktion von Obst und Gemüse sehen die Forscher insbesondere in der Schnittstelle zwischen Herstellern und Einzelhandel ein großes Handlungspotenzial. Denn die Standards der Lebensmitteleinzelhändler hinsichtlich der optischen Kriterien sind wesentlich höher, als gesetzlich vorgeschrieben. Die Händler haben hierfür zwar gute Gründe, wie den Ästhetikwunsch der Kunden, allerdings führen diese hohen Standards auch dazu, dass oft ein wesentlicher Teil der Erzeugung nicht verkauft werden kann. Wir sehen es hier als eine wichtige Aufgabe, Verbraucherinnen und Verbraucher stärker für diese Thematik zu sensibilisieren und Gespräche zwischen den zwei Parteien in Gang zu bringen
, erklärt Walter Dirksmeyer vom Thünen-Institut für Betriebswirtschaft. Zu einer Reduzierung der Abfälle bei Ost und Gemüse würde zudem auch eine verstärkte Beratung und Kooperation von Produzenten und Vermarktern beitragen.
Verbesserte Prognosesysteme und Aufklärung
Bei den Bäckereien sehen die Wissenschaftler hingegen in verbesserten Prognosesystemen eine große Chance, die Backwaren-Abfälle zu drosseln. Hier könnte durch die Verknüpfung von Daten vergangener Produktionen mit Faktoren wie Wetter und Ferientagen die Produktion bedarfsgerechter geplant und Verluste minimiert werden. In den kommenden Monaten wollen die dafür verantwortlichen Forscher diese Option auch hinsichtlich ökologischer und betriebswirtschaftlicher Aspekte analysieren. In den privaten Haushalten wollen die Forscher durch Aufklärung und Sensibilisierung das Bewusstsein für einen nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln stärken. Im Fokus steht sowohl die Frage, wann ein Lebensmittel wirklich entsorgt werden soll, als auch wie sich Lebensmittelabfälle im Alltag ganz konkret vermeiden lassen. Den Teller in jedem Fall leer zu essen, ist auch gesundheitlich nicht immer empfehlenswert
, weiß hingegen Erika Claupein vom Max Rubner-Institut.
Verpflegungsbeauftragte für die Schulverpflegung
Die Fallstudie zum Schulessen ergab, dass durchschnittlich 25% des Essens entsorgt werden. Hier zeigte die Forschergruppe auf, dass durch Maßnahmen wie eine Reduzierung der Produktionsmengen, die Kontrolle der Portionsgrößen sowie eine Analyse der Tellerreste für die Produktionsanpassung, in vier von elf untersuchten Schulküchen durchschnittlich 30 % der Speiseabfälle eingespart werden können. Darüber hinaus empfehlen sie, Verpflegungsbeauftragte an allen wichtigen Schnittstellen zur Schulverpflegung
einzubinden, um weiteren Anforderungen wie der Attraktivität und Akzeptanz des Mittagessens oder der Gestaltung der Mensa auch gerecht zu werden. Diese Ansprüche sind nur umsetzbar, wenn professionelle Strukturen geschaffen werden
, resümiert Frank Waskow, Leiter der Fallstudie bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Quelle: Bioökonomie.de