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Wissenschaftliche Forschung zum so genannten Chronischen Botulismus

Unter der Bezeichnung chronischer Botulismus wird von Teilen der Wissenschaft ein Geschehen in Rinderbeständen diskutiert. Bislang dient der Begriff jedoch lediglich als Hypothese zur Erklärung unspezifischer Krankheitserscheinungen – neue Forschungen laufen.


Seit einigen Jahren berichten wissenschaftliche Veröffentlichungen und Medien über den so genannten chronischen oder viszeralen Botulismus in einzelnen Rinderbeständen. Diskutiert wird dabei ein Zusammenhang mit dem Bakterium Clostridium botulinum.

Wissenschaftlicher Nachweis bislang nicht erbracht

Bislang ist jedoch der ursächliche Zusammenhang zwischen der unspezifischen klinischen Symptomatik und dem Bakterium trotz intensiver Forschung nicht wissenschaftlich gesichert. Dies wurde erneut auch in einem vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) am 20. September 2011 veranstalteten Fachgespräch zu der Thematik deutlich. Aus diesem Grund wird eher von einem Geschehen mit unspezifischen Krankheitserscheinungen denn von chronischem Botulismus gesprochen.

Der Begriff chronischer oder viszeraler Botulismus dient zum jetzigen Zeitpunkt lediglich als Hypothese zur Erklärung von unspezifischen Symptomen wie Schwäche und Auszehrung bei einzelnen Tieren. Die Vermutung, dass das in der Umwelt überall vorkommende Bakterium Clostridium botulinum von Rindern mit dem Futter aufgenommen wird, sich im Darm dieser Tiere vermehrt und dort Toxine freisetzt, ist ebenso wenig wissenschaftlich gesichert wie die Hypothese, dass es sich um eine Faktorenerkrankung handeln könnte.

Kein Gesundheitsrisiko für den Verbraucher

Das Bundesinstitut für Risikobewertung sieht nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Stand kein Gesundheitsrisiko durch tierisch erzeugte Lebensmittel im Zusammenhang mit dem so genannten chronischen Botulismus.

Die Gewinnung von Fleisch durch Schlachten unterliegt in der gesamten EU strikten gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften. So dürfen Tiere, die im Rahmen der Schlachtuntersuchung klinische Anzeichen einer systematischen Erkrankung, Auszehrung oder Abmagerung aufweisen, nicht für den menschlichen Verzehr geschlachtet werden. Zur Klarstellung: Klinisch erkrankte Tiere (egal an welcher Krankheit sie leiden) dürfen nicht in die Lebensmittelkette gelangen – hier ist die Rechtslage eindeutig. Da das Krankheitsbild beim so genannten chronischen Botulismus überwiegend durch klinische Symptome gravierender Art beschrieben wird, ist nicht vorstellbar, dass Tiere, die als schwach, abgemagert und u. a. mit fiebrigen Entzündungen beschrieben werden, zur Schlachtung gekommen sein sollen. Für die Einhaltung dieser Bestimmungen tragen die Schlachtunternehmen die Verantwortung, die amtliche Überwachung und die Kontrollen an den Schlachthöfen führen die zuständigen Behörden der Bundesländer durch.

BSE und Botulismus haben nichts gemeinsam

Weil in den Medien vereinzelt Vergleiche zur Tierseuche BSE angestellt wurden, ist aus fachlicher Sicht zu betonen: BSE und das hier diskutierte Krankheitsbild haben nichts gemeinsam. BSE ist eine monokausale, auf ein infektiöses Agens zurückzuführende Krankheit und lässt sich durch labordiagnostisch standardisierte Tests eindeutig nachweisen. Hinsichtlich der klinischen Erscheinungen unterscheiden sich beide Krankheiten ebenfalls ganz grundlegend. Bei BSE stehen zentralnervöse Erscheinungen im Vordergrund.

Dass durch das aktuell diskutierte Krankheitsbild auch Menschen, insbesondere Landwirte, zu Schaden kamen, ist bislang nicht nachgewiesen. In dem jüngsten Fachgespräch am 20.09.2011 wurde von Seiten der Wissenschaft berichtet, dass die bisherigen Diagnosen beim Menschen lediglich auf Basis der klinischen Erscheinungen gestellt worden seien; ein entsprechender, die klinische Diagnose untermauernder labordiagnostischer Nachweis des Toxins existiert nach den Berichten der Wissenschaftler nicht.

Weitere Studien zur wissenschaftlichen Erforschung

Zu dem geschilderten Krankheitsbild gab und gibt es intensive Forschungsanstrengungen des Bundes und der Länder. Besonders das BMELV beschäftigt sich seit geraumer Zeit intensiv mit Fragen rund um den so genannten chronischen Botulismus und hat dazu bereits verschiedene Forschungsvorhaben angestoßen. So hat zum Beispiel ein vom Friedrich-Loeffler-Institut organisierter und durchgeführter Ringversuch gezeigt, dass die Ergebnisse zwischen den beteiligten Untersuchungseinrichtungen nicht direkt miteinander vergleichbar und damit auch nicht aussagekräftig sind. Hier besteht aus fachlicher Sicht erheblicher Verbesserungsbedarf im Hinblick auf die Qualität der Labordiagnostik. Eine belastbare und validierte Diagnostik ist nämlich Grundvoraussetzung für weitere Schritte.

Das Bundesverbraucherministerium hat deshalb weitere Mittel in erheblichem Umfang zur Erforschung der Bedeutung von Clostridium botulinum bei chronischen Krankheitsgeschehen bereitgestellt. Die Forschungen werden voraussichtlich Anfang 2012 mit einer Laufzeit von 24 Monaten beginnen können.

Unabhängig davon sind in Beständen, in denen unspezifische Krankheitssymptome auftreten, die möglichen Ursachen im jeweiligen Einzelfall abzuklären, die verschiedenen betrieblichen Maßnahmen zu überprüfen und gegebenenfalls die Hygienesituation zu verbessern, die nach übereinstimmender Einschätzung von Experten häufig Auslöser für die unspezifischen Krankheitserscheinungen sind.

Gibt es eine Entschädigung für Landwirte?

Zu vereinzelt geforderten Entschädigungen für Landwirte, deren Tierbestände betroffen sind, ist festzustellen: Landwirte haben nach bestehender Rechtslage grundsätzlich nur einen Anspruch auf eine Entschädigung, wenn von einer zuständigen Behörde im Rahmen der Seuchenbekämpfung die Tötung von Tieren angeordnet wurde. Da dies im Falle des so genannten chronischen Botulismus nicht der Fall ist, könnte eine Kompensation des finanziellen Schadens nur, soweit vorhanden, durch eine private Versicherung abgedeckt werden.

Das als chronischer Botulismus bezeichnete Krankheitsbild ist keine Tierseuche. Eine Tierseuche ist nach § 1 Absatz 2 Tierseuchengesetz als Krankheit oder Infektion mit Krankheitserregern definiert, die bei Tieren auftritt und auf Tiere oder Menschen (Zoonose) übertragen werden kann. In diesem Sinne ist eine Tierseuche eine übertragbare Krankheit, die durch ein infektiöses Agens verursacht wird, auf natürlichem Wege übertragen wird und in bestimmten Gebieten zu einer bestimmten Zeit vermehrt auftritt. Grundvoraussetzung ist zunächst eine eindeutige labordiagnostische Diagnosestellung. Eine klinische Beschreibung allein reicht jedoch nicht aus, um eine Tierseuche zu definieren.

Weitere Informationen

(BMELV)