13.03.2014rss_feed

ZAR-Seminar: Erbfehler in der Rinderzucht - Erkennung und richtiger Umgang

Seminar des Ausschusses für Genetik der ZAR, 6. März 2014, Salzburg

170 Teilnehmer aus Österreich, Deutschland, Italien, Tschechien und der Schweiz folgten der Einladung zum ZAR-Seminar mit dem aktuellen Thema Erbfehler in der Rinderzucht. Für ZAR-Obmann Ök.-Rat Anton Wagner ist dies derzeit das beherrschende Thema in der mitteleuropäischen Rinderzucht: Für uns ist es wichtig, positiv an dieses Thema heranzugehen. Wir sind heute in der glücklichen Lage, aus dem Genom viele Information herauszulesen. So ist es möglich, mit der internationalen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit diese Gendefekte in den Griff zu bekommen. Wir, als Funktionäre der Rinderzucht, tragen die Verantwortung gegenüber der Tiergesundheit aber auch gegenüber dem Züchter, den daraus entstehenden wirtschaftlichen Schaden so gering wie möglich zu halten.


Erbfehlersuche: damals defensiv, heute aktiv

Dem Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Gottfried Brem (VetMedUni Wien) zufolge war der Umgang mit Erbfehlern vor einem Viertel Jahrhundert ein anderer. Damals, im Jahre 1986, publizierte ein Doktorand an seinem Institut einen neuen Erbfehler und wurde dafür bei der Züchterschaft bestenfalls ignoriert. Heute geht man davon aus, dass jedes Tier etwa fünf Defektallele trägt, die in reinerbigem Zustand tödlich (letal) sind. Wichtig ist allerdings, dass der Erbfehler erst dann zum Ausdruck kommt, wenn das Defektallel von Vater und Mutter weitvererbt wird, also beide Eltern Träger sind.

Dr. Christian Fürst (ZuchtData) erklärte den scheinbaren Anstieg an Erbdefekten beim Rind mit der gestiegenen Häufigkeit an DNA-Untersuchungen. Erbfehler sind in der Rinderzucht nichts Neues. Neu sind die Technologien, mit denen die Wissenschaft DNA-Abschnitte mit Erbfehler lokalisieren und entsprechend in der Selektion berücksichtigen kann. Die Kennzeichnung von Erbfehlern ist jedenfalls verbesserungsfähig. Die Diskussion einer Vereinheitlichung geht in Richtung eines 2-stelligen Erbfehlercodes.

Blickwinkel aus Recht und Gesellschaft

Erbfehler sind aus Sicht der Wissenschaft klar definiert, die genaue rechtliche Abgrenzung hingegen sorgt noch für Diskussionen. Im Tierzuchtgesetz ist der Unterschied zwischen gewünschten Abweichungen von der züchterischen Norm wie z.B. der Hornlosigkeit sowie den Erbfehlern klar gestellt, berichtet Tierzuchtdirektor DI Rudi Hussl. Auch die Meldepflicht von Erbfehlern ist geregelt. Tierhalter und Besamer haben unverzüglich das Auftreten von Erbfehlern der Samenverkaufsstelle und der Behörde zu melden. Zusätzlich müssen Erbfehler in der Rassenbeschreibung, im Zuchtbuch bzw. Zuchtregister sowie auf Zuchtbescheinigungen angedruckt werden. Der wirtschaftliche Druck sowie eine Gesellschaft, die immer sensibler und rascher auf Themen in Zusammenhang mit Tierleid reagiert und höchste Produktionsstandards zu billigsten Preisen verlangt bringen den Viehhalter zunehmend unter Druck. Genau diese Gratwanderung gilt es zu meistern.

Die schwierige Suche nach der Nadel im Heuhaufen

Die Chronologie der aktuellen Ereignisse zeigt, wie rasch seitens der RINDERZUCHT AUSTRIA in Zusammenarbeit mit der TU-München gehandelt wurde. Im Mai 2013 gab es auf der Online- Diskussionsplattform Rinderrunde einen ersten Hinweis auf Zwergwuchs bei einem Top-Vererber. Binnen kürzester Zeit konnte der dafür verantwortliche Abschnitt in der DNA lokalisiert werden. Bereits sieben Wochen nach diesem ersten Hinweis wurden Trägerlisten mit Besamungsstieren im Internet veröffentlicht. Dies zeigt, wie ernsthaft heutzutage mit dieser Thematik umgegangen wird, erläutert Dr. Hermann Schwarzenbacher (Zucht- Data). Bei der Suche nach Erbfehlern unterscheidet man zwischen zwei Ansätzen. Einerseits aufgrund des Phänotyps durch die Beobachtung von Kälbern, andererseits durch das Vorliegen von umfangreichen Daten verschiedener Genotypen. Bei dieser Methode muss nicht mehr abgewartet werden, bis Erbfehler bei homozygoten Tieren phänotypisch in Erscheinung treten, sondern es können frühzeitig Gendefekten lokalisiert werden.

DGfZ-Preisträger Dr. Hubert Pausch (TU-München) sieht in der vollständigen Sequenzierung des Rindergenoms im Jahr 2004 die Grundlage der angewandten Genomik in der Rinderzucht. Verdächtige Genomregionen werden durchforstet, um kompatible Mutationen zu lokalisieren. Das gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen, da meist mehrere Millionen Basenpaare in Frage kommen können. Potentiell schädliche Mutationen existieren in jedem Genom, bei jedem Menschen liegen nach Schätzungen etwa 100 schwerwiegende Mutationen vor. Vermutlich sind die Zahlen in Nutztiergenomen ähnlich. Die Verfügbarkeit von populationsweiten Sequenzdaten ermöglicht die rasche Aufklärung ursächlicher Mutationen. Träger schädlicher Allelvarianten können dadurch frühzeitig identifiziert werden. Beim Rind sind derzeit rund 180 rezessive Merkmale bekannt. Man kann davon ausgehen, dass in naher Zukunft viele weitere hinzukommen. Management von Erbfehlern in der Praxis

Im Umgang mit Erbfehlern untersuchte Dr. Christa Egger-Danner (ZuchtData) verschiedene Strategien. Bei der Merzung werden alle Stiere, die Erbfehler tragen, ausgeschlossen, bei der Reduktion werden Anlageträger nur in der gezielten Paarung eingesetzt. Durch verstärkten Einsatz von Embryotransfer könnte der Verlust an Selektionsintensität kompensiert werden. Durch den breiten Einsatz von Top-Stieren ist es möglich, dass sich Erbfehler sehr schnell in der Population verbreiten. Um dies zu vermeiden, ist ein offener Umgang, ein konsequentes Monitoring und die kontinuierliche Suche nach neuen Gendefekten sowie das Setzen von gezielten Maßnahmen im Zuchtprogramm entscheidend. Damit wertvolle Erbanlagen nicht ungewollt aus der Population eliminiert werden, wird empfohlen, dass bei der gezielten Paarung weiterhin mit Trägerstieren gearbeitet wird und durch den verstärkten Einsatz von ET mehr potentielle Kandidaten für die Selektion von Erbfehlerfreien Stieren für den Einsatz in der Gesamtpopulation zur Verfügung stehen. Dadurch könnte eine hohe Selektionsintensität beibehalten werden. Mit der künstlichen Besamung erhöhte sich natürlich die Gefahr der unbewussten Verbreitung von Erbfehlern. Bereits in den 70er Jahren wurde beim FIH, wie Dr. Josef Miesenberger (GF FIH und OÖ Besamung) berichtet, ein Inzuchttest nach Hinweisen auf Zwergwuchs durchgeführt. Heutzutage ist die Meldung phänotypischer Besonderheiten noch genauso wichtig. Alle Besamungsstiere müssen mit den besten zur Verfügung stehenden Tests untersucht werden. Zum Abschluss des Seminars nahm dazu auch die hochkarätige Diskussionsrunde aus Geschäftsführern, Wissenschaftlern und Züchtern Stellung. Demnach gebe es Verbesserungsbedarf bei der Kennzeichnung von Erbfehlern. Eine Herausforderung wird auch sein, dieses umfangreiche und neue Wissen in die Praxis umzusetzen. Die österreichische Rinderzucht geht mit ihren internationalen Partnern offensiv und transparent diese Problematik an. Die Seminarunterlagen sowie die Präsentationen stehen ab sofort untewww.zar.at -> Publikationen zur Verfügung

Quelle: ZAR