Stellungnahme der Projektgruppe ’Genetisch-Statistische Methoden’ der DGfZ zur Fragestellung ’Festlegung einer Mindestgröße für die effektive Populationsgröße bei der Anerkennung von Zuchtorganisationen’
Die Projektgruppe hat in ihrer Sitzung vom 29.-31. März 2006 die Frage-stellung erörtert und gibt hierzu folgende Stellungnahme ab:
Die effektive Populationsgröße kann für hinreichend große Populationen aus der Zahl der männlichen und weiblichen Zuchttiere und ihrer Beteiligung am Zuchtgeschehen (tatsächliche Verpaarungen, Varianz der Familiengröße) geschätzt werden. Darüber hinaus kann die effektive Populationsgröße auch aus den tatsächlich gefundenen Inzuchtkoeffizienten der Einzeltiere abgeleitet werden. Neuere Ansätze zur Schätzung der effektiven Populationsgröße anhand von Markerdaten sind derzeit noch in der Entwicklung. Dieses genetisch-statistische Regelwerk ist allerdings bei sehr kleinen Populationen bzw. sehr kleinen effektiven Populationsgrößen nur bedingt anwendbar bzw. sind bei kleinen Populationen die Ergebnisse mit erheblichen Standardfehlern behaftet.
Theoretische Untersuchungen von Meuwissen und Woolliams (1994, Effective sizes of livestock populations to prevent a decline in fitness, Theor Appl Genet 89:1019-1026) stellen einen funktionalen Zusammenhang der minimalen effektiven Populationsgröße, die zur Erhaltung einer Nutztier-population erforderlich ist, mit Parametern der Inzuchtdepression und der genetischen Varianz der Fitness her. Da bei den meisten Nutztierarten die in diesem Ansatz verwendeten Parameter nicht bekannt sein dürften, ist eine Abschätzung einer solchen minimalen Größe im konkreten Fall aber wohl kaum praktikabel.
Hinzu kommt, dass die effektive Populationsgröße weniger die Eigenschaft einer Population an sich ist, sondern vielmehr die Eigenschaft eine Population unter einem bestimmten Anpaarungsregime darstellt. Somit spiegelt die mit den dargestellten Ansätzen abschätzbare effektive Populationsgröße immer nur einen historischen Wert dar, der sich in der Zukunft substanziell sowohl nach oben als auch nach unten verändern kann. Für die Anerkennung eines Zuchtprogramms für eine Population mit geringer aktueller effektiver Populationsgröße wäre deshalb zu fordern, dass neben der Darstellung des aktuellen Tiermaterials auch eine Strategie vorgelegt wird, wie die effektive Populationsgröße in Zukunft gehalten oder erhöht werden soll. Dies kann z.B. umfassen die Anzahl eingesetzter Vatertiere, deren mittlere Einsatzfrequenz, Maßnahmen zur Verminderung der Varianz der Familiengröße, der Einsatz bestimmter Planungsmethoden bzw. –programme (z.B. Gencont) etc. Diese Angaben würden es ermöglichen, die zukünftige Populationsentwicklung abzuschätzen, deren Umsetzung wäre allerdings in einem begleitenden Monitoring sicherzustellen.
Gerade für den Fall sehr kleiner Populationen kann mithin eine starre Grenze einer ’sinnvollen’ effektiven Populationsgröße aus wissenschaftlicher Sicht nicht festgelegt werden.
Problematisch ist in vielen Fällen, gerade bei sehr kleinen Populationen, dass die Abstammung (Pedigree) der Zuchttiere oftmals nur lückenhaft vorliegt wenn man mehr als drei Generationen in die Auswertung einbeziehen möchte, was für eine sinnvolle Abschätzung des Inzucht- und Verwandtschaftsgrades in der Population aber unerlässlich ist. Viele Fälle bisheriger Analysen an sehr kleinen Populationen haben darüber hinaus gezeigt, dass entgegen ursprünglicher Behauptungen auch häufig ein Rassenmix vorliegt, wenn einige Generationen des Pedigrees betrachtet werden.
Zur Anerkennung einer Rasse als Zuchtpopulation sind deshalb gerade bei sehr kleinen Populationen Einzelgutachten unerlässlich. Allerdings sollte gefordert werden, dass folgende Angaben von der antragstellenden Seite gemacht werden müssen:
• Bei Populationen < 100 Tiere: Pedigrees über mindestens 5 Generationen mit Angabe von Geburtsjahr und Rassezugehörigkeit
• Bei Populationen > 100 Tiere: Summa-rische Darstellung hinsichtlich der Vollständigkeit der Pedigrees bezogen auf mindestens 5 Generationen (Anzahl fehlender Tiere, Mittelwerte, Standardabweichungen, Extremwerte) sowie geschätzte Inzucht- und Verwandtschaftskoeffizienten (Mittelwerte, Standardabweichungen, Extremwerte; auch nach Geburtsjahren) sowie eine Liste der Verwandtschaftskoeffizienten der einflussreichsten Tiere mit dem Durchschnitt der aktuellen Zuchtpopulation.
Die Projektgruppe wird das Thema ‚Effektive Populationsgröße’ allerdings auch in den nächsten Sitzungen vertiefen, so dass gegebenenfalls eine ausführliche Stellungnahme erarbeitet werden kann.
(Quelle: Prof. Dr. Hermann H. Swalve, Vorsitzender der Projektgruppe Genetisch-Statistische Methoden der DGfZ; Prof. Dr. H. Simianer, Vorsitzender der Gesellschaft für Tierzucht-wissenschaft (GfT), Vizepräsident
Die effektive Populationsgröße kann für hinreichend große Populationen aus der Zahl der männlichen und weiblichen Zuchttiere und ihrer Beteiligung am Zuchtgeschehen (tatsächliche Verpaarungen, Varianz der Familiengröße) geschätzt werden. Darüber hinaus kann die effektive Populationsgröße auch aus den tatsächlich gefundenen Inzuchtkoeffizienten der Einzeltiere abgeleitet werden. Neuere Ansätze zur Schätzung der effektiven Populationsgröße anhand von Markerdaten sind derzeit noch in der Entwicklung. Dieses genetisch-statistische Regelwerk ist allerdings bei sehr kleinen Populationen bzw. sehr kleinen effektiven Populationsgrößen nur bedingt anwendbar bzw. sind bei kleinen Populationen die Ergebnisse mit erheblichen Standardfehlern behaftet.
Theoretische Untersuchungen von Meuwissen und Woolliams (1994, Effective sizes of livestock populations to prevent a decline in fitness, Theor Appl Genet 89:1019-1026) stellen einen funktionalen Zusammenhang der minimalen effektiven Populationsgröße, die zur Erhaltung einer Nutztier-population erforderlich ist, mit Parametern der Inzuchtdepression und der genetischen Varianz der Fitness her. Da bei den meisten Nutztierarten die in diesem Ansatz verwendeten Parameter nicht bekannt sein dürften, ist eine Abschätzung einer solchen minimalen Größe im konkreten Fall aber wohl kaum praktikabel.
Hinzu kommt, dass die effektive Populationsgröße weniger die Eigenschaft einer Population an sich ist, sondern vielmehr die Eigenschaft eine Population unter einem bestimmten Anpaarungsregime darstellt. Somit spiegelt die mit den dargestellten Ansätzen abschätzbare effektive Populationsgröße immer nur einen historischen Wert dar, der sich in der Zukunft substanziell sowohl nach oben als auch nach unten verändern kann. Für die Anerkennung eines Zuchtprogramms für eine Population mit geringer aktueller effektiver Populationsgröße wäre deshalb zu fordern, dass neben der Darstellung des aktuellen Tiermaterials auch eine Strategie vorgelegt wird, wie die effektive Populationsgröße in Zukunft gehalten oder erhöht werden soll. Dies kann z.B. umfassen die Anzahl eingesetzter Vatertiere, deren mittlere Einsatzfrequenz, Maßnahmen zur Verminderung der Varianz der Familiengröße, der Einsatz bestimmter Planungsmethoden bzw. –programme (z.B. Gencont) etc. Diese Angaben würden es ermöglichen, die zukünftige Populationsentwicklung abzuschätzen, deren Umsetzung wäre allerdings in einem begleitenden Monitoring sicherzustellen.
Gerade für den Fall sehr kleiner Populationen kann mithin eine starre Grenze einer ’sinnvollen’ effektiven Populationsgröße aus wissenschaftlicher Sicht nicht festgelegt werden.
Problematisch ist in vielen Fällen, gerade bei sehr kleinen Populationen, dass die Abstammung (Pedigree) der Zuchttiere oftmals nur lückenhaft vorliegt wenn man mehr als drei Generationen in die Auswertung einbeziehen möchte, was für eine sinnvolle Abschätzung des Inzucht- und Verwandtschaftsgrades in der Population aber unerlässlich ist. Viele Fälle bisheriger Analysen an sehr kleinen Populationen haben darüber hinaus gezeigt, dass entgegen ursprünglicher Behauptungen auch häufig ein Rassenmix vorliegt, wenn einige Generationen des Pedigrees betrachtet werden.
Zur Anerkennung einer Rasse als Zuchtpopulation sind deshalb gerade bei sehr kleinen Populationen Einzelgutachten unerlässlich. Allerdings sollte gefordert werden, dass folgende Angaben von der antragstellenden Seite gemacht werden müssen:
• Bei Populationen < 100 Tiere: Pedigrees über mindestens 5 Generationen mit Angabe von Geburtsjahr und Rassezugehörigkeit
• Bei Populationen > 100 Tiere: Summa-rische Darstellung hinsichtlich der Vollständigkeit der Pedigrees bezogen auf mindestens 5 Generationen (Anzahl fehlender Tiere, Mittelwerte, Standardabweichungen, Extremwerte) sowie geschätzte Inzucht- und Verwandtschaftskoeffizienten (Mittelwerte, Standardabweichungen, Extremwerte; auch nach Geburtsjahren) sowie eine Liste der Verwandtschaftskoeffizienten der einflussreichsten Tiere mit dem Durchschnitt der aktuellen Zuchtpopulation.
Die Projektgruppe wird das Thema ‚Effektive Populationsgröße’ allerdings auch in den nächsten Sitzungen vertiefen, so dass gegebenenfalls eine ausführliche Stellungnahme erarbeitet werden kann.
(Quelle: Prof. Dr. Hermann H. Swalve, Vorsitzender der Projektgruppe Genetisch-Statistische Methoden der DGfZ; Prof. Dr. H. Simianer, Vorsitzender der Gesellschaft für Tierzucht-wissenschaft (GfT), Vizepräsident